„Als Stakeholder (auf Deutsch: Anspruchsgruppen) werden alle Personen, Gruppen und Institutionen bezeichnet, die von den Aktivitäten eines Unternehmens direkt oder indirekt betroffen sind oder die ein Interesse an diesen Aktivitäten haben. Die Stakeholder versuchen, auf das Unternehmen Einfluss zu nehmen. Nach dem Stakeholder-Ansatz oder Stakeholder-Modell sollten Unternehmen ihre Stakeholder und deren Erwartungen und Anforderungen kennen und berücksichtigen. Die Unternehmensleitung und das Management sind gefordert, den Zweck, die Ziele und die Strategie ihres Unternehmens so auszurichten, dass die Interessen, Erwartungen und Ansprüche der wichtigsten und einflussreichsten Stakeholder erfüllt werden. Dazu wird ein Stakeholder-Konzept entwickelt und im Rahmen des Stakeholder-Managements umgesetzt. Beachtet ein Unternehmen seine Stakeholder nicht, setzt es sich großen Risiken aus.“ (Quelle: https://www.business-wissen.de/hb/was-sind-stakeholder-und-was-bedeutet-der-stakeholder-ansatz/ Abruf am 22.9.2022).
Bei der Konzeption und Umsetzung von Projekten eines Unternehmens ist die Stakeholder-Analyse also ein bewährtes Instrument, um beteiligte und betroffene Menschen zu identifizieren, diese wenn möglich geeignet in das Projekt einzubeziehen und die Kommunikation mit ihnen zielgerichtet zu gestalten. Im Kontext einer Entwicklung zunehmender Nachhaltigkeit sollten Unternehmen erwägen, auch diesbezüglich betroffene Kreise mit in die Stakeholder-Analyse aufzunehmen. Denn auch wenn der direkte Einfluss ökologisch oder sozial relevanter Gruppen auf das vom Unternehmen angestrebte Projektergebnis in den meisten Fällen zu gering sein wird, um spürbar ins Gewicht zu fallen, so ist doch spätestens die gesellschaftliche Reaktion auf das wahrgenommene projektbezogene Nachhaltigkeitsverhalten des Unternehmens ein Treiber, der immer schwieriger zu ignorieren ist. Doch wie kann ein Unternehmen konkret vorgehen, um die Nachhaltigkeit eines beabsichtigten Projektes zumindest qualitativ einzuordnen?
Hier können die aus der Stakeholder-Analyse bekannten Ansätze helfen. Durch Einbeziehung zumindest der unmittelbar absehbaren ökonomischen, ökologischen und sozialen Konsequenzen eines Projekts sollte in einer übergeordnet-neutralen Perspektive eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt werden, um in einem Gesamtsaldo zu beurteilen, wie dessen nachhaltige Bilanz ausfällt. Denn insbesondere die unternehmensexterne Seite dieser Betrachtung wurde lange systematisch vernachlässigt, gerät aber vor dem Hintergrund steigender Nachhaltigkeits-Anforderungen inzwischen stärker ins Bewusstsein.
Eine solche qualitative Abschätzung der internen und externen Projektfolgen benötigt keine aufwändigen Detailrecherchen oder Kalkulationen, sondern dient zunächst nur der ganzheitlichen Betrachtung eines Projektvorschlags durch die verantwortlichen Entscheider im Unternehmen. Im gezeigten Beispiel verspricht ein Projektvorschlag dem Unternehmen zwar einen Profit (positiver Saldo), während jedoch auf Seite der Stakeholder (Gesellschaft) insgesamt höhere Verluste zu erwarten sind (negativer Saldo).
Übersteigt, wie hier dargestellt, der gesellschaftliche Schaden den betrieblichen Nutzen, so wird man insgesamt die Nachhaltigkeit des Projekts in Frage stellen müssen. Der in diesem Fall von dem Unternehmen zu erwartende Ertrag (Saldo 1) ist zwar positiv, würde also in einer isolierten Betrachtung für das Einzelunternehmen, so wie bisher gewohnt, wirtschaftlich zunächst durchaus sinnvoll sein. Dieser Ertrag verursacht bei diesem Beispiel jedoch einen deutlich größeren Schaden auf der Stakeholder-Ebene (Saldo 2), so dass die integrierte Gesamtsicht (Saldo 1 – Saldo 2) insgesamt zu einer negativen Beurteilung führt. Würde das Unternehmen dieses Projekt so durchführen, müsste es sich aufgrund der dadurch extern verursachten Schäden vielleicht nicht sofort, aber im mittelfristigen Zeitverkauf für einen zunehmenden gesellschaftlichen Widerstand wappnen und Maßnahmen vorbereiten, diesem Widerstand inhaltlich zu begegnen. Absehbare Kosten für solche Maßnahmen werden heute von den Unternehmen noch in den meisten Fällen ausgeblendet, was auch die unternehmensinterne Nachhaltigkeitsbetrachtung verzerrt. Besser wäre es also, diese Effekte und Kosten bereits bei der Projektkonzeption zu überschlagen und mit in die Wirtschaftlichkeitsprognose zu integrieren.
Wenn umgekehrt das Unternehmen aus einem Projekt nachhaltig mehr Nutzen für sich generieren kann als Schaden auf der erweiterten Stakeholder-Ebene verursacht wird, so könnte das Projekt als nachhaltig angesehen werden. Denn das Unternehmen erwirtschaftet hier dauerhaft Mehrwerte, die es später teilweise zur Schadkompensation einsetzen könnte, um die Interessen der Stakeholder zu befriedigen.
Selbstverständlich wird man hier immer einwenden können, dass im Einzelfall nicht ausreichend Daten für eine solche Kosten-Nutzen-Abschätzung zur Verfügung stehen, und selbst die verfügbaren Informationen nicht immer unmittelbar miteinander vergleichbar sind. Viele Unternehmen investieren gerade beträchtliche Mittel, um ein solches quantifizierbares Messsystem aufzubauen – die GRI (Global Reporting Initiative) wäre hier als Schlagwort zu nennen. Es könnte allerdings mit sehr wenig Aufwand schon viel gewonnen werden, wenn Projektanträge und Entscheider in Unternehmen konsequent damit anfangen, zumindest einmal qualitativ abzuschätzen, welchen Impact sie hinsichtlich der Nachhaltigkeit mit ihren Projekten voraussichtlich verursachen. Die hier vorgestellte Methode soll einen Beitrag dazu anbieten.
- Trends und Megatrends aus Ingenieurs-Sicht - Februar 20, 2024
- Von Szenario-Trends zu konkreten Handlungsoptionen - November 9, 2022
- Einsatz einer erweiterten Stakeholder-Analyse zur Abschätzung der Nachhaltigkeit von Projekten - September 25, 2022
Ein Gedanke zu „Einsatz einer erweiterten Stakeholder-Analyse zur Abschätzung der Nachhaltigkeit von Projekten“
Schöner Beitrag, ich habe ihn mit meinen Freunden geteilt.